Liebe Gessnerallee,
ich hoffe, das Du ist okay, wir kennen uns ja nur so halb, sagen mal hoi alle zwei Jahre. Damals, als ich in der Gartenbeiz fast zu weinen begann.
Liebe Gessnerallee,
ich hoffe, das Du ist okay, wir kennen uns ja nur so halb, sagen mal hoi alle zwei Jahre. Damals, als ich in der Gartenbeiz fast zu weinen begann. Oder vor ein paar Jahren, als ein Bekannter mich reinliess in eure Räume, damit ich meine allererste grosse Rede in Ruhe üben konnte. Ja, doch, Gessnerallee, ich glaube, wir sollten uns duzen.
Während ich das schreibe, diskutieren Leute heftig über die Ehe für alle. Unter Linken hingegen höre ich mit einer selbstzufriedenen Selbstverständlichkeit: «Das ist doch kein Thema mehr». Ich denke mir jeden Tag, dass ich diesen Mood aufbrechen will. Eben genau unter denjenigen, die sich selbst schon für mega offen halten.
Gessnerallee, vielleicht musst du mir helfen. Ich glaube, dass genau Kulturinstitutionen wie du aufrütteln müssen, und zwar diejenigen, die von sich selbst glauben, sie hätten keinen Rüttel nötig. Das ist mein Wunsch für dich. Auch nach der Ehe für alle.
Mein wichtigster Berührungspunkt mit dir war übrigens nicht das Weinen in der Gartenbeiz. Ich habe in einem deutschen feministischen Magazin über deine neue Leitung gelesen, Sommer 2020, und die Interviewantworten liessen mich über Arbeitsstrukturen nachdenken, monatelang, bis heute. Man könnte sagen, du hast mich erfolgreich aufgerüttelt.
Füschtli,
deine Anna Rosenwasser.